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Terpene: Wie sie die Wirkung von Cannabis beeinflussen

Dieser Beitrag beleuchtet die wichtigsten Terpene im medizinischen Cannabis und ihre potenzielle Wirkung – basierend auf wissenschaftlicher Literatur:

Einzigartige Zusammensetzung von pflanzlichen Cannabismedikamenten

Pflanzliche Cannabisarzneimittel zeichnen sich durch eine Vielzahl chemischer Verbindungen aus. Die besonderen Eigenschaften jeder Cannabissorte entstehen durch unterschiedliche Konzentrationen bioaktiver Moleküle wie THC (Tetrahydrocannabinol), anderen Cannabinoiden sowie Terpenen [1]. Das Zusammenspiel aller enthaltenen Substanzen, einschließlich Cannabinoiden und Terpenen, bildet den Wirkstoffkomplex.

Modifizierung durch den Entourage-Effekt

Ein bedeutendes Konzept in der Cannabisforschung ist der Entourage-Effekt. Dieser beschreibt, wie Terpene und pflanzliche Cannabinoide, sogenannte Phytocannabinoide, bestimmte Wirkungen beim Menschen verstärken oder modifizieren können. Die Effekte entfalten sich dabei über komplexe Wechselwirkungen mit dem Endocannabinoid-System, das eine zentrale Rolle bei der Regulation von Schmerz, Entzündung, Stimmung und weiteren physiologischen Prozessen spielt. In den letzten Jahrzehnten sind die Cannabis-Terpene zunehmend aus dem Schatten der Cannabinoide getreten und wurden auf ihre eigenen therapeutischen Eigenschaften hin untersucht.

Mehr als nur Duftstoffe

Was sind Terpene?

Terpene tragen oft exotische Namen wie Borneol, Guaiol oder Farnesen und sind doch ein fester Bestandteil unserer Umwelt. Diese flüchtigen organischen Verbindungen spielen beispielsweise eine entscheidende Rolle bei der Erzeugung der charakteristischen Düfte von Pflanzen. Sie schützen diese vor Krankheitserregern, locken bestäubende Insekten an oder schrecken Fressfeinde ab.

Verwendung in verschiedenen Branchen

Aufgrund ihrer vielseitigen Einsatzmöglichkeiten begegnen uns Terpene heute in vielen Alltagsprodukten – selbst wenn wir kein Cannabispatient sind. Sie werden in Cremes, ätherischen Ölen, Lebensmitteln, Getränken und der Parfümerie eingesetzt. Besonders geschätzt werden sie in ökologischen Reinigungsprodukten wegen ihrer antibakteriellen Eigenschaften.

Wie wirken Terpene auf den Menschen?

Myrcen bei Schmerzen

Ein gutes Beispiel ist Myrcen, das beruhigend und muskelentspannend wirkt. Aufgrund seiner sedierenden Eigenschaften wird es mit der analgetischen Wirkung von Cannabis gegen Schmerzen in Verbindung gebracht – insbesondere bei chronischen Zuständen wie Fibromyalgie oder neuropathischen Beschwerden[28]. Es kommt vor allem in indica-dominanten Sorten vor und könnte für deren „couch-lock“-Effekt mitverantwortlich sein. Studien zeigen, dass Myrcen entzündungshemmende und schmerzlindernde Eigenschaften besitzt, die bei der Behandlung chronischer Schmerzen hilfreich sein könnten[28].

Limonen bei Depression

Auch bei psychischen Erkrankungen könnten Terpene eine unterstützende Rolle spielen. So wird Limonen mit stimmungsaufhellenden und anxiolytischen Effekten assoziiert, was seine mögliche Rolle bei der Anwendung von Cannabis gegen Depressionen erklärt[5]. Erste tierexperimentelle und humanpsychologische Studien belegen, dass Limonen die Ausschüttung von Serotonin und Dopamin begünstigen könnte[32].

Linalool & Pinen bei PTBS

Weitere Verbindungen wie Linalool oder Pinen stehen im Verdacht, über das limbische System regulierend auf Stress und emotionale Reize einzuwirken. Dies könnte den Einsatz von Cannabis bei PTBS ergänzen – insbesondere zur Reduktion von Reizbarkeit und Schlafproblemen. Terpene könnten hier die Effekte von Cannabinoiden sanft flankieren und dadurch die psychische Belastbarkeit steigern. Studien deuten darauf hin, dass Linalool anxiolytische Eigenschaften besitzt, die durch Modulation des GABAergen Systems vermittelt werden[30].

ADHS: Bessere Reizfilterung

Bei Cannabis bei ADHS könnten wiederum die beruhigenden Eigenschaften bestimmter Terpene wie Linalool zur Reizfilterung und Konzentrationsförderung beitragen. Gerade bei Reizoffenheit und Schlafproblemen zeigen sich Hinweise auf potenzielle Vorteile. Erste Studien prüfen derzeit, inwiefern Terpenprofile wie Linalool oder Limonen die typischen ADHS-Symptome positiv beeinflussen können[34].

Nutzen bei Migräne

Ähnliche Mechanismen werden auch bei Cannabis gegen Migräne diskutiert, wo neuroinflammatorische Prozesse im Vordergrund stehen. Migräne-assoziierte Entzündungsprozesse könnten durch Terpene wie β-Caryophyllen oder Eucalyptol abgeschwächt werden, indem sie entzündungshemmende Signalwege modulieren und die neuronale Übererregbarkeit dämpfen[35].

Bedeutung der Terpenkonzentration in medizinischem Cannabis

Medizinisches Cannabis variiert hinsichtlich der Terpenkonzentration je nach Sorte, Umweltbedingungen und Reifegrad der Pflanze. Für eine effektive Wirkung sollten Terpene im Vollspektrumextrakt mindestens 0,05 % betragen [2]. Typischerweise liegt die Terpenkonzentration in Cannabisblüten bei etwa 1 %, kann jedoch durch Züchtung auf etwa 3 % erhöht werden [17].

Ein breites Spektrum an Terpenen muss allerdings nicht unbedingt von Vorteil sein. Vielmehr erscheint es sinnvoll, das Terpenprofil gezielt an die Behandlung spezifischer Symptome anzupassen. Präklinische und klinische Studien sind wichtig, um die Cannabis-Therapie weiterzuentwickeln und immer präziser auf individuelle medizinische Bedürfnisse abzustimmen.

Vergleich von Terpenprofilen in 6 Cannabissorten

Wissenschaftlicher Hintergrund zur Grafik

Die obenstehende Grafik veranschaulicht die prozentuale Verteilung von zehn zentralen Terpenen in sechs bekannten Cannabissorten: OG Kush, Blue Dream, Girl Scout Cookies, Sour Diesel, Northern Lights und Jack Herer. Die Datengrundlage basiert auf einer umfassenden GC–MS/MS-Analyse, die in einer 2023 veröffentlichten Studie erhoben wurde[36].

Die Studie untersuchte systematisch Terpen- und Terpenoidprofile in medizinischem Cannabis und bietet eine der aktuellsten wissenschaftlich validierten Datenquellen zu Cannabisterpenen. Die Sorten wurden anhand standardisierter, aus Apotheken oder kommerziellen Cultivars entnommener Blütenproben analysiert. Ziel war es, Unterschiede im therapeutischen Potenzial anhand der chemischen Signatur – insbesondere der Terpenzusammensetzung – sichtbar zu machen.

So zeigen sich z. B. bei Sour Diesel erhöhte Limonen- und Caryophyllen-Werte, was auf ein potenziell stimmungsaufhellendes und stresslinderndes Profil hinweist, während OG Kush und Northern Lights durch höhere Myrcen-Anteile eher sedierend und entspannend wirken könnten. Solche Analysen sind entscheidend für die individualisierte Cannabismedizin, da sie helfen, Sorten gezielt nach ihrem Wirkspektrum auszuwählen.

Liste der Cannabis-Terpene nach Wirkung

Liste der Cannabis-Terpene nach Wirkung

α-/β-Pinen

Könnte die Acetylcholinesterase hemmen und so kognitive Prozesse verbessern [2]. Duft: Kiefer, Pinie Kognitiv Neuroprotektiv Antioxidativ C₁₀H₁₆
bicyclische Monoterpene

Linalool

Möglicherweise angstlösend und krampflösend über GABA/Glutamat-Systeme [4,5]. Duft: Lavendel Angstlösend Krampflösend Antioxidativ Krebshemmend C₁₀H₁₈O
Monoterpen-Alkohol

β-Myrcen

Könnte körpereigene Opioide freisetzen und beruhigend wirken [2]. Duft: Mango, Thymian (hopfig) Entspannend Schmerzlindernd Entzündungshemmend C₁₀H₁₆
acyclisches Monoterpen

Limonen

Hebt möglicherweise Serotonin/Dopamin-Spiegel, stimmungsaufhellend [2,4]. Duft: Zitrusfrucht Stimmungsaufhellend Angstlösend Antidepressiv C₁₀H₁₆
Monoterpen

β-Caryophyllen

Bindet an CB2-Rezeptoren, vielfältige therapeutische Effekte [2]. Duft: Würzig, Nelken-artig CB2-aktiv Gastroprotektiv Neuroprotektiv Antikarzinogen C₁₅H₂₄
Sesquiterpen

Ocimen

Wird mit entzündungshemmender Wirkung in Verbindung gebracht [6]. Duft: Blumig, süßlich Entzündungshemmend Synergetisch C₁₀H₁₆
Monoterpen

Phellandren

Verfügt möglicherweise über bronchienerweiternde und antimikrobielle Effekte [7]. Duft: Pfeffrig, leicht zitrisch Bronchienerweiternd Antimikrobiell Entzündungshemmend C₁₀H₁₆
Monoterpen

Terpinolen

Könnte aktivierend und stimmungsaufhellend wirken, mit antitumoraler Potenz [8–10]. Duft: Kräuter, Zitrus, Holz Stimmungsaufhellend Antitumoral Aktivierend C₁₀H₁₆
Monoterpen

Camphen

Könnte den Cholesterinspiegel senken und kardioprotektiv wirken [11]. Duft: Kampferartig, frisch Cholesterinsenkend Kardioprotektiv C₁₀H₁₆
bicyclisches Monoterpen

Valencen

Könnte die Wirksamkeit von Doxorubicin verstärken [12]. Duft: Zitrus, süßlich-holzig Chemo-sensitivierend Entourage-Effekt C₁₅H₂₄
Sesquiterpen

Humulen

Könnte antientzündlich wirken und die Wirkung von Doxorubicin verstärken [12]. Duft: Hopfenartig, erdig Chemo-sensitivierend Entzündungshemmend C₁₅H₂₄
Sesquiterpen

Nerolidol

Könnte die Aufnahme anderer Wirkstoffe verbessern und gegen Tumorzellen wirken [12]. Duft: Holzig, grün, frisch Permeabilitätsfördernd Chemo-sensitivierend C₁₅H₂₆O
Sesquiterpen-Alkohol

Caren

Könnte das Knochenwachstum fördern [13]. Duft: Süßlich, Zypressen-artig Osteogen Knochenheilung C₁₀H₁₆
bicyclisches Monoterpen

Bisabolol

Könnte neuroprotektiv und antikarzinogen wirken [14–16]. Duft: Blumig, süß, leicht würzig Neuroprotektiv Parkinson-assoziiert Antikarzinogen C₁₅H₂₆O
Sesquiterpen-Alkohol

Menthol

Wirkt kühlend, schmerzlindernd und kann Juckreiz lindern [22]. Duft: Minzig, kühl Schmerzlindernd Kühlend Antipruriginös C₁₀H₂₀O
Monoterpen-Alkohol

Carvon

Wird verdauungsfördernd, krampflösend und antimikrobiell eingesetzt [23]. Duft: Minze, Dill, Kümmel Verdauungsfördernd Krampflösend Antimikrobiell C₁₀H₁₄O
Monoterpen-Keton

Eucalyptol (1,8-Cineol)

Entzündungshemmend und schleimlösend, besonders in der Atemwegstherapie [24]. Duft: Frisch, eukalyptusartig Schleimlösend Entzündungshemmend Antimikrobiell C₁₀H₁₈O
Monoterpen-Ether

Thujon

Wirkt neuroaktiv und kann in hohen Dosen konvulsiv sein – nur in Spuren relevant [25]. Duft: Herb, scharf Neuroaktiv Konvulsiv (hochdosiert) Stimmungsmodulierend C₁₀H₁₆O
Bicyclisches Monoterpen-Keton

Bornylacetat

In ätherischen Ölen enthalten, wirkt beruhigend, antibakteriell und entzündungshemmend [26]. Duft: Kieferartig, kampferartig Sedierend Antibakteriell Entzündungshemmend C₁₂H₂₀O₂
Monoterpen-Ester

Literaturverzeichnis