- Einzigartige Zusammensetzung von pflanzlichen Cannabismedikamenten
- Der Entourage-Effekt: Synergie der pflanzlichen Cannabis-Inhaltsstoffe
- Terpene: Mehr als nur Duftstoffe
- Traditionelle und moderne medizinische Nutzung von Terpenen
- Neue Erkenntnisse und Anwendungspotenziale
- Bedeutung der Terpenkonzentration in medizinischem Cannabis
- Literaturverzeichnis
Einzigartige Zusammensetzung von pflanzlichen Cannabismedikamenten
Pflanzliche Cannabisarzneimittel zeichnen sich durch eine Vielzahl chemischer Verbindungen aus. Die besonderen Eigenschaften jeder Cannabissorte entstehen durch unterschiedliche Konzentrationen bioaktiver Moleküle [1]. Das Zusammenspiel aller enthaltenen Substanzen, einschließlich Cannabinoiden und Terpenen, bildet den Wirkstoffkomplex.
Der Entourage-Effekt: Synergie der pflanzlichen Cannabis-Inhaltsstoffe
Ein bedeutendes Konzept in der Cannabisforschung ist der Entourage-Effekt. Dieser beschreibt, wie Terpene und pflanzliche Cannabinoide, sogenannte Phytocannabinoide, bestimmte Wirkungen verstärken oder modifizieren können. In den letzten Jahrzehnten sind die Cannabis-Terpene zunehmend aus dem Schatten der Cannabinoide getreten und wurden auf ihre eigenen therapeutischen Eigenschaften hin untersucht.
Terpene: Mehr als nur Duftstoffe
Was sind Terpene?
Terpene tragen oft exotische Namen wie Borneol, Guaiol oder Farnesen und sind doch ein fester Bestandteil unserer Umwelt. Diese flüchtigen organischen Verbindungen spielen beispielsweise eine entscheidende Rolle bei der Erzeugung der charakteristischen Düfte von Pflanzen. Sie schützen diese vor Krankheitserregern, locken bestäubende Insekten an oder schrecken Fressfeinde ab.
Verwendung in verschiedenen Branchen
Dank ihrer vielseitigen Eigenschaften sind Terpene in verschiedenen Branchen unverzichtbar geworden. Sie werden in Cremes, ätherischen Ölen, Lebensmitteln, Getränken und der Parfümerie eingesetzt. Besonders geschätzt werden sie in ökologischen Reinigungsprodukten wegen ihrer antibakteriellen Eigenschaften.
Traditionelle und moderne medizinische Nutzung von Terpenen
Einige Terpene aus der Cannabispflanze werden seit Jahrhunderten in der traditionellen Medizin verwendet. Moderne Studien haben die medizinischen Eigenschaften vieler Terpene durch In-vitro-, Tier- und klinische Studien bestätigt [3]. Hier ein Überblick über einige der wissenschaftlich untersuchten Cannabisterpene:
α-Pinen und β-Pinen
Studien legen nahe, dass die Terpene α-Pinen und β-Pinen die Aktivität der Acetylcholinesterase im Gehirn hemmen könnten. Dies könnte das Gedächtnis verbessern und kognitive Störungen reduzieren [2]. Diese Pinen-Terpene sind bekannt für ihren charakteristischen Kiefernduft.
Linalool
Linalool, das auch in Lavendel vorkommt, weist antioxidative, entzündungshemmende sowie krebshemmende Eigenschaften auf und wirkt angst-und krampflösend [4, 5]. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Beeinflussung der Glutamat- und GABA-Neurotransmittersysteme der zentrale Mechanismus für die
beruhigenden, angstlösenden und krampflösenden Effekte von Linalool ist [4].
β-Myrcen
β-Myrcen ist ein Terpen, das sich durch schmerzlindernde Eigenschaften auszeichnet, indem es die Freisetzung körpereigener Opioide stimuliert. Darüber hinaus weist es entzündungshemmende und potenziell krebshemmende Eigenschaften auf [2]. Ein hoher Gehalt an Myrcen in Cannabisblüten kann zu einer
ausgeprägten körperlichen und psychischen Entspannung beitragen [2]. Das Terpen, das auch in Lebensmitteln wie Mango und Thymian zu finden ist, verleiht Cannabis einen moschusartigen oder hopfigen Duft.
Limonen
Limonen, bekannt für sein frisches Zitrusaroma, steigert die Spiegel der Botenstoffe Serotonin und Dopamin, die eine wesentliche Rolle für die geistige Gesundheit spielen. Es wirkt angstlösend, stressreduzierend und beruhigend [2]. Bereits in den 1990er-Jahren zeigte eine klinische Studie, dass die Exposition gegenüber Zitrusdüften in der Luft von stationär behandelten depressiven Patienten zu einer Normalisierung der Hamilton-Depression-Scores führte. Zudem verringerte sich der Verbrauch von Antidepressiva bei den Studienteilnehmern [4].
β-Caryophyllen
β-Caryophyllen ist eines der häufigsten Terpene in Cannabis und gehört zu den wenigen, die an die körpereigenen Cannabinoidrezeptoren binden können. Es zeigt eine Vielzahl therapeutischer Effekte, darunter gastroprotektive, antikarzinogene und neuroprotektive Wirkungen [2].
Ocimen
Ocimen, das sowohl in Orchideen als auch in Cannabis vorkommt, wird mit potenziellen entzündungshemmenden Eigenschaften in Verbindung gebracht. Besonders vielversprechend bei Entzündungen soll die Wirkung von Ocimen sein, wenn es zusammen mit Pinen und Limonen eingesetzt wird [6].
Phellandren
Phellandren, ein relativ seltenes Terpen in Cannabis, verfügt über potenziell bronchienerweiternde, antimikrobielle und entzündungshemmende Eigenschaften [7].
Terpinolen
Terpinolen, ein energetisierendes Terpen, das vorwiegend in Cannabis Sativa vorkommt, könnte die Stimmung verbessern und Ängste reduzieren. Studien haben gezeigt, dass Terpinolen potenziell antitumorale Wirkungen besitzt [8,9,10].
Camphen
Camphen kann den Cholesterinspiegel senken und somit möglicherweise das Risiko von Herzerkrankungen und Schlaganfällen reduzieren [11].
Neue Erkenntnisse und Anwendungspotenziale
Neue Forschungsergebnisse legen nahe, dass bestimmte Terpene wie Valencen und Humulen die Wirksamkeit von Chemotherapeutika verbessern können. In einer Laboruntersuchung erhöhten Valencen, β-Caryophyllen, Humulen und Nerolidol die Effizienz des Chemotherapeutikums Doxorubicin [12].
Ein weiteres interessantes Terpen ist Caren, das die Knochenheilung unterstützen kann. Laborstudien zeigen, dass Caren das Wachstum und die Mineralisierung von Knochenzellen stimuliert [13].
Bisabolol zeigte im Tierversuch schützende Effekte auf Nervenzellen, indem es den oxidativen Stress reduzierte und neuroentzündliche Prozesse minderte. Dies könnte das Fortschreiten der Parkinson-Erkrankung verlangsamen [14]. Präklinische Untersuchungen an Leukämiezellen zeigten zudem, dass Bisabolol direkt menschliche Krebszellen angreifen und deren Zelltod fördern kann [15, 16].
Bedeutung der Terpenkonzentration in medizinischem Cannabis
Die Terpenkonzentration in Cannabis variiert je nach Sorte, Umweltbedingungen und Reifegrad der Pflanze. Für eine effektive Wirkung sollten Terpene im Vollspektrumextrakt mindestens 0,05 % betragen [2]. Typischerweise liegt die Terpenkonzentration in Cannabisblüten bei etwa 1 %, kann jedoch durch Züchtung auf etwa 3 % erhöht werden [17].
Ein breites Spektrum an Terpenen muss allerdings nicht unbedingt von Vorteil sein. Vielmehr erscheint es sinnvoll, das Terpenprofil gezielt an die Behandlung spezifischer Symptome anzupassen. Präklinische und klinische Studien sind wichtig, um Cannabistherapien weiterzuentwickeln und immer präziser auf individuelle medizinische Bedürfnisse abzustimmen.
Literaturverzeichnis
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[15] Cavalieri E, Rigo A, Bonifacio M, Carcereri de Prati A, Guardalben E, Bergamini C, Fato R, Pizzolo G, Suzuki H, Vinante F. Pro-apoptotic activity of α-bisabolol in preclinical models of primary human acute leukemia cells. J Transl Med. 2011;9:45.
[16] Bonifacio M, Rigo A, Guardalben E, Bergamini C, Cavalieri E, Fato R, Pizzolo G, Suzuki H, Vinante F. α-bisabolol is an effective proapoptotic agent against BCR-ABL(+) cells in synergism with Imatinib and Nilotinib. PLoS One. 2012;7(10). doi: 10.1371/journal.pone.0046674. Epub 2012 Oct 3. PMID: 23056396; PMCID: PMC3463553.
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